So, das Zimmer ist leer, ein weiteres Abschiedsfest wurde gefeiert...!
Wieso ich nur immer Abschiedsfeste und keine Ankunftsfeste feiere? Ich weiss es
nicht, wahrscheinlich bin ich noch nirgends wirklich angekommen in den letzten
Jahren.
Frühmorgens am 1. Mai 2018 ging’s los, endlich
war es soweit.
Die nächsten drei Wochen bin ich als fahrender Checkpoint für
den Women World Record 2018 des Grizzly Race Teams unterwegs. Zu diesem Zweck
fuhr ich zuerst nach Cham und holte Sandro ab, der mich als Teammitglied
begleiten wird. Er ist im Besitze des Lastwagenprüfung und wird mir somit meine
Reise erleichtern. Zusammen fuhren wir nach Zürich, wo es noch eine Fotosession
gab und ein bescheidenes Frühstück. Gegen zehn Uhr konnten wir dann richtig
losfahren.
Der erste Tag führte uns wie gewohnt durch
Deutschland. Mässig viel Verkehr auf der Autobahn, da es ein landesweiter
Feiertag ist. Gut für uns. Doch nach etwa 600 km tauchte schon das erste
Problem auf, eine Druckluftleitung scheuerte am Auspuffrohr und verlor durch
das Loch sehr viel Luft. Auf einer Raststätte provisorisch geflickt und weiter
gefahren bis nach Bautzen. Da via Facebook-Gruppe „Allrad-LKW-Hilfe“ um Rat
gefragt wegen Reparaturwerkstatt und auch etliche Hinweise bekommen.
Am 2.Mai fuhren wieder rechtzeitig los, es gab
ja noch was zum Reparieren. Bei Ronny Koch in Bautzen eine Top Hydraulikbude
gefunden und ich kriegte ein neues Stahlrohr montiert.
So konnte nun die Fahrt beschwerdefrei
fortgesetzt werden. Wir durchquerten Polen und kurz vor der litauischen Grenze
rasteten wir auf einer Raststätte. Darum heissen die ja so...!
Weiter dann am Donnerstag durch Litauen und
Lettland bei schönstem Wetter und wenig Verkehr.
So erreichten wir bereits kurz
vor 18 Uhr die Grenze zu Russland. Auf der lettischen Seite ging es sehr speditiv,
es gab fast keine LKW, da irgendwie wieder Feiertag war oder so. Uns soll’s
recht sein! Die Russen hatten viel Freude an uns, wussten aber wie gewöhnlich
nicht so recht, was machen. LKW aber Privatpersonen... Nun ja, sie entschieden
sich für einen Mix, was recht gut aufging. Die Kontrolle war kurz und
unspektakulär, ich musste nicht viel öffnen. Dafür war die Deklaration etwas
komplizierter. Die Kommandantin des Büdchens wollte es genau wissen und ich
musste alles aufschreiben, was ich da so mitführte. Doch irgendwie strich sie
immer mehr zusammen, da das Gewicht zu hoch wurde oder der Wert zu viel. Sie
schaute peinlichst darauf, dass wir nicht über die 1‘500 € kamen, die deklarationsfrei erlaubt
sind. Nach ungefähr 1 ½ Stunden und dreimal neu ausgefüllter Deklaration bekam
ich eine von ihr, welche sie selber ausfüllte und wo plötzlich nichts mehr zu
deklarieren drauf war! Auch das sollte mir recht sein! Selbstverständlich gab
es danach nochmals eine Besichtigung, aber auch diesmal sehr human.
So konnten
wir nach einer Rekordzeit von nur drei Stunden in Russland einreisen! Juhee!!
Und ich kann den Magirus ein Jahr einführen! Noch schnell
Haftpflichtversicherung gelöst und bei der nächsten Gelegenheit raus auf eine
Raststätte zum Übernachten. Wir wurden gleich vom russischen Charme des
Restaurants erschlagen und ich fühlte mich sogleich zu Hause... Ich unterhielt
mich mit dem Wachmann und das nächste Mal, wenn ich vorbei komme, gehen wir
zusammen fischen. Auf jeden Fall.
Heute am 4. Mai unterwegs Richtung Moskau. Auf
halber Strecke trafen wir die wohl härteste Frau, die ich je kennengelernt
habe. Plötzlich vor uns ein Fahrrad mit Schweizer- und Bernerfahne. Da mussten
wir natürlich anhalten. Thesi hatte sich darüber auch sehr gefreut. Sie ist mit
dem Fahrrad von der Schweiz aus losgeradelt bis nach Moskau. Von da mit dem Zug
nach Vladivostok, weiter nach Korea. Mit dem Fahrrad wieder nach Nepal, um da
dann den 1‘500 km langen Great-Himalay-Trail unter die Füsse zu nehmen.
Wahnsinn!
Wir waren aber so was von beeindruckt!
Nun denn, dass gab uns genügend Gesprächsstoff
für die nächsten paar dutzend Kilometer. Moskau umfuhren wir auf dem äussersten
Ring, diesmal im Norden. Aber auch dieses Jahr standen wir ausgangs Moskau
wieder im Stau, auch nachts. So um elf hielt ich bei einem Rastplatz. Bier,
Essen, Bett.
Am 5. Mai war unser Ziel Kazan. Das sollte
eigentlich zu einer vernünftigen Stunde erreicht werden. Denkste! Genau wie
letztes Jahr standen wir kurz nach Nishni Novgorod etwa vier Stunden in einem
Monsterstau vor einer Baustelle. Und nur LKW.
Diese Zeit konnten wir natürlich
nicht mehr einholen und so kamen wir um etwa halb elf in Kazan an. Als
Entschädigung konnten wir dafür den prächtig beleuchteten Kreml bestaunen bei
der Einfahrt in die Stadt. Beim Hotel parkiert, Zimmer bezogen und noch kurz in
die Stadt auf ein Bier oder zwei...
Am nächsten Morgen versuchte ich noch eine
Stadtführung zu organisieren, doch obwohl die sympathische Frau an der
Rezeption alles versuchte, kriegten wir nichts mehr. Es war einfach zu
kurzfristig. Da wir den Rennverlauf nicht vorhersehen können, war es eh immer
ein bisschen schwierig, etwas zu organisieren. Ich war schon froh, kriegten wir
noch ein Hotelzimmer so spontan. Also machte ich für Sandro selber eine
Stadtführung bei bestem Wetter. Am Abend gingen wir ins tatarische
Spezialitätenrestaurant zum essen. Sozusagen mein Stammlokal in Kazan.
Nach einem weiteren reichhaltigen Frühstück
machten wir uns gemütlich bereit, um weiter zu reisen. Heute sollten wir die
russische Fahrerin Tatiana bei Ufa treffen. Aber irgendwie hatte sie kleine
technische Probleme, die von ihr völlig überbewertet wurden. Eigentlich hätte
sie direkt zu uns fahren können um es zu reparieren. Aber nein, sie fuhr nach
Kasan rein und ging auch noch bei der Mutter essen... So traf sie gegen 01.30
Uhr bei uns am Checkpoint ein und hätte einen Zwei-Stunden-Timestop machen
müssen. Ich hatte aber keine Lust, zwei Stunden in der Nacht aufzubleiben, also
schickte ich sie ins nahegelgene Motel und sie sollte am Morgen wieder vorbeikommen.
Am 8. Mai kam dann Tatiana so gegen neun Uhr
vorbei. Sie hätte noch Ersatzreifen mitnehmen sollen, doch das wollte sie auch
nicht. Na ja, musste sie selber entscheiden. Wir auf jeden Fall fuhren danach
ohne Eile nach Ufa.
Vor den Toren Ufas kaufte ich noch russische Flaggen für
den Magirus, schliesslich ist morgen Tag des Sieges in Russland. Da wollte ich
den Lastwagen etwas rausputzen. Nachmittags um zwei erreichten wir das Hotel
in Ufa. Der Parkwärter war sehr mürrisch und ich musste erst das Hotel bitten
ihn anzurufen, damit er uns rein liess. Nach dem Zimmerbezug ging ich zu ihm
mit einem Päckchen Zigarillos und er war sofort wie ein umgedrehter Handschuh.
Ich glaube, wir sind nun Freunde! Nachdem wir etwas kleines gegessen hatten,
führte ich Sandro in der Stadt rum und wir latschten gut und gerne drei Stunden
rum. Ich kenne mich noch nicht so gut aus in Ufa... Zurück zum Hotel ging es
dann mit dem Taxi.
Am Abend trafen wir Veronica, eine alte
Bekannte von mir. Sie brachte eine Freundin mit und gemeinsam verbrachten wir
einige Stunden in der gemütlichen Hotelküche... Es gab viel zu erzählen und zu
lachen. Später gesellte sich Veronicas Bekannter Aidar dazu, ein berühmter
Maultrommelmusiker. Für uns gab es ein kleines Ständchen und eine Vorführung
verschiedener Maultrommeln, sowie ein Crashkurs.
Später am Abend gingen wir gemeinsam noch aus,
in die scheinbar angesagteste Diskotheke der Stadt. Mir war es aber schon bald
einmal zu laut, doch Sandro hielt noch lange durch.
Der nächste Tag begann mit einem erbärmlichen
Frühstück im Hotel. Heute am 9. Mai ist „Tag des Sieges“ in Russland, ein
landesweiter Feiertag. Wir trafen am Mittag Aigul, ebenfalls eine gute Bekannte
von mir und Stadtführerin. Zusammen machten wir uns auf, an der Parade teilzunehmen. Es war ein
riesiger Menschenauflauf und sehr friedlich. Irgendwann während des Marsches
drehte sich eine Frau um und sagte in gebrochenem Deutsch, dass sie sich sehr
freue und dankbar sei, dass wir hier dabei seien. Offensichtlich glaubte sie,
dass wir Deutsche sind, da wir ja mit Aigul Deutsch sprachen. Wie dem auch sei,
ich war von dieser versöhnlichen Geste tief berührt!
Nach der Parade gingen wir gemeinsam essen und
danach zeigte uns Aigul noch einige Sehenswürdigkeiten der Stadt.
Am späteren
Nachmittag verabschiedete ich mich schweren Herzens von ihr. Wir gingen zurück
ins Hotel und rechtzeitig ins Bett. Endlich wieder mal...
Ab morgen geht es rasant weiter Richtung
Osten, wir sollen unsere Schweizer Fahrerin Isa in Novosibirsk treffen.
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